
Atlantis im Dschungel
Die alten Khmer bauten vor 1000 Jahren in Rekordzeit ein architektonisches Weltwunder inmitten des kambodschanischen Dschungels. Bis heute ist es der größte Sakralbau der Menschheitsgeschichte.
Text und Fotos: Michael Mannheimer
Seam Reap, Dezember 2002
Das Vorhaben des jungen Königs war kühn und von wahrhaft monumentalem Ausmaß: Tausende von Arbeitselefanten zogen Tag für Tag, Monat für Monat bis zu 25 Tonnen schwere Steinquader über lehmige Böden zu dem gigantischen Bauplatz, an dem ein Heer schwitzender und mit ihrer Erschöpfung in tropischer Sonne kämpfender Arbeitskräfte an einem Tempel arbeitete, dessen Bauvolumen größer war als das der Cheops-Pyramide in Ägypten.
In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, als im Deutschland Kaiser Barbarossas noch finsterstes Mittelalter herrschte, schuf Suryavarman II (Abb. links), der gefürchtete Feldherr und König der Khmer, in der Rekordzeit von ganzen 37 Jahren Bauzeit das bis heute gewaltigste Bauwerk Südostasiens: Angkor Wat, im Herzen des heutigen Kambodscha gelegen, bringt durch die Grandiosität seiner Architektur und seine romantische Lage inmitten eines verschwenderisch reichen Urwalds welterfahrene Kunstreisende wie unbelehrbare Kulturbanausen gleichermaßen zum Schwärmen. Dieser riesige Koloß, ursprünglich dem hinduistischen Gott Vishnu geweiht und später seinem Erbauer vermutlich als Grabstätte dienend, war angelegt als eine exakte Nachbildung des Universums, wie es in der hinduistischen Mythologie beschrieben wurde. Umgeben von einem 200 Meter breiten Wassergraben, das Urmeer symbolisierend, ragen die fünf berühmten Türme Angkor Wats weithin sichtbar empor. Sie stehen auf drei sich nach oben verjüngenden Ebenen, reichlich geschmückt mit Reliefs und steinerne Abbildungen von mehr als 1800 himmlischer Apsara-Tänzerinnen, eingerahmt von Portalen, Zimmern und Höfen. Die 65 Meter zählende höchste Kuppel, vermutlich das Grabmahl Suryavarman II, erhebt sich in der exakten Mitte des Tempelkomplexes. Sie stellt den heiligen Berg Meru dar, für Hindus und Buddhisten bis heute der symbolische Mittelpunkt der Welt.
Mit einer überbauten Fläche von über einer Million Quadratmetern (zum Vergleich: Kölner Dom: 8 000 m2; Petersdom: 15 000 m2) läßt Angkor Wat die übrigen sakralen Großbauten der Welt weit hinter sich. Völlig zu Recht zählt dieser Tempel zu den Weltwundern dieser Erde.
Doch Angkor Wat war nur einer von weiteren zahlreichen Tempeln der Residenz- und Tempelstadt der Khmer-Könige namens Angkor. Um das Jahr 1100 n.Chr. (Paris war noch eine Kleinstadt) war Angkor, dessen Grundfläche mit über 200 km2 gut dreimal so groß war wie die Fläche des heutigen Manhattans, mit über 1 Million Einwohnern die mit Abstand größte Stadt der Welt. Das Wort Angkor steht für eine mythische Hochkultur aus der Zeit der Jahrtausendwende mit zahlreichen außergewöhnlichen Bauwerken wie der Frauenzitadelle Banteay Srei, den Tempeln Ta Prohm und Angkor Thom oder dem großartigen Bayon, einem architektonischen Meisterwerk, dessen Imposanz viele Besucher in noch größere Begeisterung versetzt als Angkor Wat.
Die ersten Europäer, die die ehemalige Hauptstadt der Khmer zu Gesicht bekamen, waren Missionare und Handelsreisende aus Spanien, Portugal und Frankreich. Insbesondere der französische Naturkundler Henri Mouhout, der auf dem Weg nach Laos war und im Jahre 1860 durch Zufall auf Angkor stieß, lenkte durch seine Veröffentlichungen das Interesse der westlichen Welt auf diese mysteriöse Tempelstadt ( „..es ist größer als alles, was uns von Griechen und Römern erhalten geblieben ist.“).
Auch der deutsche Völkerkundler Adolf Bastian machte sich 1863 einen Namen, als er entdeckte, dass einige der Inschriften auf den Tempeln in Sanskrit verfasst waren, was auf indischen Einfluss beim Bau schließen ließ.
Doch nur in den Köpfen der westlichen Welt hält sich bis heute die romantische Vorstellung, Angkor sei, nachdem es Jahrhunderte von Jahren vom Urwald verschlungen wurde, ähnlich Pompei oder Troja „wiederentdeckt“ worden. Als der königliche Hof Angkor im Jahre 1431 verließ, da die Hauptstadt militärisch nicht mehr zu halten war, herrschte dort weiterhin pulsierendes Leben. Ende des 16. Jahrhunderts wurde von dem Khmerkönig Satha sogar der Versuch unternommen, seine Hauptstadt wieder nach Angkor zu verlegen. Stets haben in Angkor, seitdem die Stadt aufgegeben wurde, Mönche gelebt und Pagoden dort errichtet. Gläubigen Buddhisten diente sie, selbst wenn ihre Tempel ursprünglich hinduistischen Göttern geweiht waren, seit jeher als Wallfahrtsort. Abb. oben: Angkor liegt im Nordwesten Kambodschas am ende des Tonle Sap Sees.
Für die Bevölkerung von Seam Reap, der nächsten zu Angkor gelegenen Stadt jedenfalls war die Tempelstadt immer präsent, von einem Vergessen oder gar Verschwinden Angkors konnte keine Rede sein. Dennoch bemächtigte sich im Laufe der Jahrhunderte der Urwald immer mehr der Tempel, der Pagoden und der sonstigen Gebäude. Zu groß war das Areal Angkors, zu stark war die ungestüme Macht der von allen Seiten heranwachsenden Vegetation und vor allem fehlte es zu sehr an den nötigen finanziellen Mitteln, um die Überwucherung weiter Tempelareale durch so gewaltige Pflanzen wie den Kapok-Bäumen und den Würgefeigen zu verhindern, deren Wurzeln – so mächtig wie Bäume in Europa – selbst die dicksten Wände zu sprengen imstande waren. Heute kann man dieses Zusammenspiel von Natur und Architektur besonders am Tempel Ta Prohm (s. Foto oben) bestaunen, der auf den Beschluss französischer Archäologen hin genau in dem Zustand belassen wurde, wie man im 19. Jahrhundert die gesamte Tempelstadt Angkor vorgefunden hatte. Dieser 1186 fertiggestellte Tempel fungierte als buddhistisches Kloster. Er soll einmal 2700 Mönche, 12 000 Bedienstete und 18 Hohe Priester beherbergt haben.
Als der chinesische Gesandte Chou Ta-Kuan 1296 nach Angkor kam, beschrieb er staunend das Leben der damals prächtigsten Stadt Asiens in seinem Tagebuch. Er sah Prinzessinnen unter roten Sonnenschirmen auf goldgeschmückten Elefanten durch die Straßen reiten, roch den Duft von Jasmin und Lavendel und vernahm überall die Musik von Zimbeln, Schnabelflöten und den Schall von Gongs.
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In seiner Blütezeit war Angkor die größte Metropole der Welt. Über eine Million Khmer lebten in ihrem unmittelbaren Umkreis.
Lange Zeit rätselten die Wissenschaftler, wie es inmitten eines nahezu undurchdringlichen Dschungels zu einer solch bedeutenden Hochkultur kommen konnte. Wie die anderen Hochkulturen in Mesopotamien, Ägypten oder Mexiko verdankt Angkor sein Entstehen einer hochentwickelten Bewässerungstechnik, die es den Khmer ermöglichte, anstelle bislang einer Reisernte bis zu drei Reisernten pro Jahr zu erzielen. Aufgrund dieser Lebensmittelüberproduktion wuchs die Bevölkerung rasch an, und die in der Landwirtschaft nicht mehr benötigten Arbeitskräfte konnten als Soldaten zum Schutz des Khmer-Reiches vor feindlichen Angriffen, aber vor allem beim Bau Angkors eingesetzt werden.
Die Bewässerungskanäle für die Reisfelder dienten aber auch dem Antransport der gewaltigen Mengen von Baumaterial, riesigen, tonnenschweren Laterit- und Sandsteinblöcken, die in 50 Kilometer nordöstlich von Angkor vor kurzem entdeckten Steinbrüchen geschlagen wurden. Besonders zur Monsunzeit, wenn der Wasserspiegel des nahegelegenen Tonle-Sap-Sees und damit auch der Bewässerungskanäle meterhoch anstieg, wurden diese Blöcke auf Flößen und speziellen Booten in einer logistischen Meisterleistung massenweise nach Angkor gebracht, wo sie dann mit Hilfe eines Heeres indischer Arbeitselefanten zu ihrem Bestimmungsort gezogen wurden.
Doch wie alle Hochkulturen war auch Angkor dem Untergang geweiht. Die finanziellen Reserven waren durch die Bauwut der gottähnlichen Könige zunehmend erschöpft, das Volk durch den unermüdlichen Arbeitseinsatz ausgelaugt. Im Westen durch die Thais, im Osten von den Cham (den heutigen Vietnamesen) bedrängt, erwies sich Angkor als zu schwach, dem Druck seiner beiden Erzfeinde auf Dauer standzuhalten. Ein Bruch der Barrays, der riesigen Speicherseen, die man als Ausgleichsbehälter für die Bewässerungskanäle von Angkor errichtet hat, führte schließlich zu einer katastrophalen Überschwemmung, wobei ein Großteil der Bewässerungskanäle zerstört wurde. Foto links oben: Kinder spielen heute wieder unbefangen vor der Tempelkulisse Angkor Wats. Die Grauen der Herrschaft der Roten Khmer sind für sie bereits Geschichte
Das Schicksal Angkors war besiegelt.
Während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer unter ihrem grausamen Führer Pol Pot (1975-1979), die Millionen Kambodschanern das Leben kosten sollte, geriet Angkor für kurze Zeit wiederum in Vergessenheit. Erst in den Neunziger Jahren, als sich die politische Lage einigermaßen stabilisierte und Ausländer das Land ohne zu große Gefahr für Leib und Leben betreten konnten, wurde Angkor wieder zunehmend zum Ziel westlicher Archäologen, Kunsthistoriker und sonstiger Kunst- und Kulturinteressierter. Inzwischen hat ein regelrechter Ansturm von Touristen auf das bedeutendste Kulturdenkmal Kambodschas und Südostasiens eingesetzt, das1992 von der UNO zum Erbe der Menschheit gekürt wurde. Foto oben: bis Anfang 2000 stellte die kambodschanische Regierung Militär zur Sicherung der Touristen und der Tempelanlage gegen marodierende Rote-Khmer-Kämpfer.
Es sieht so aus, als würde Angkor ein knappes Jahrtausend nach seinem Bau zu einer neuerlichen Blüte auferstehen.
Gefaellt mir, dass hier staendig geschrieben wird.
Lieber Michael,
danke für deine Aufklärung über den Islam. Im folgenen Link findest du auch eine Auflärung zum Buddhismus.
http://www.gateway-ev.de/home/home_d.asp?Flash=1
Ebenso im Buch „Das Lächeln des Dalai Lama“ von Bruno Waldvogel-Frei aus dem SCM R.Brockhaus.
Ich wünsche alles Gute im neuen Jahr.
So ein Schwachsinn: „Buddhistisches Weltwunder“!
Angkor Wat ist das steinerne Zeugnis des Hinduismus und seines Welt- und Götterbildes. Die Buddhisten waren unfähig dieses Weltwunder zu erhalten. Sie treiben sich jetzt zwar orange gewandet in den Gemäuern herum, haben aber mit dem Ursprung von Angkor Wat nichts zu tun.
MM: Mäßigen Sie Ihren arroganten Ton! Ich war mehrfach in Angkor Wat. Natürlich ist es ein budhhistisches Bauwerk. Wie sein Pendant in Java – der großartige Borobodur-Tempel.
Dass die Motivik beider Tempel ihren Ursprung in Indien haben und aus dem Hinduismus entlehnt wurden, veerunwdert nur solche Arrogantlinge wie Sie. Denn wisse: Buddha Siddhartha war selbst Hindu, bevor er den Buddhismus ins Leben rief.
PS: Wie man in die Wald hineinruft, so schallts heraus. Dine Dialektik, die sowohl im Hinduismus als auch Buddhismus gelehrt wird.