Die Langhalsfrauen von Mae Hong Son


Menschenzoo oder Glück von Kriegsflüchtlingen?

Das Schicksal der burmesischen Langhalsfrauen im Fadenkreuz touristischer Vermarktung

Text und Fotos: Michael Mannheimer
April 1998

Der Autor Michael Mannheimer mit Longneck-Frauen in Nordost-Thailand

Manche vergleichen sie mit einem Menschenzoo, andere wiederum sehen in ihnen eine einzigartige ethnologische Besonderheit des Landes: in drei Dörfern im Norden Thailands, allesamt in der unmittelbaren Umgebung der Provinzhauptstadt Mae Hong Son gelegen, leben seit über 10 Jahren Angehörige der Padaungs, besser bekannt unter der Bezeichnung „Longnecks“.  Ihren Namen erhielten sie aufgrund einer besonderen Auffälligkeit ihres ihrer äußeren Erscheinung: die meisten Frauen nämlich tragen goldfarbene Messingspiralen um den Hals, die ihnen das Aussehen menschlicher Giraffen verleihen. „Giraffenfrauen“ bezeichnete sie denn auch ihr polnischer Entdecker Golish.
Das Aussehen dieser Frauen ist derart außergewöhnlich, dass sie mittlerweile zum bedeutendsten Touristenmagneten Nordwestthailands geworden sind. Die gesamte Provinz Mae Hong Son lebt nahezu ausschließlich von der Vermarktung dieses ursprünglich aus China stammenden Bergvolkes, deren Heimat eigentlich in Burma liegt..
Als ethnologische Minderheit und Angehörige des Karen-Stammes werden ihre Dörfer dort jedoch regelmäßig von den Soldaten der burmesischen Shan-Armee überfallen und zur Abgabe der gesamten Reisernte gezwungen. Die ständige Furcht vor weiteren Überfällen hat schließlich vor mehr als 10 Jahren die ersten Longneck-Karen dazu bewogen, ihre Dörfer zu verlassen und in den Nachbarstaat Thailand zu fliehen. Der erste Flüchtlingstreck erreichte nach 5 Tagesmärschen schließlich die grenznahe Stadt Mae Hong Son, wo ihnen die dortigen Behörden Platz für eine kleine Siedlung zuwiesen. Weitere Flüchtlinge sollten folgen, als sich die geglückte Flucht herumgesprochen hat.  Heute leben um Mae Hong Son Longneck-Karen in insgesamt drei Dörfern, friedlich und in weitgehender Sicherheit vor weiteren burmesischen Angriffen. Anfänglich von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, gerieten die Longnecks jedoch zunehmend ins Fadenkreuz der nationalen und internationalen Tourismusindustrie. Die Faszination, die von diesen freundlichen, stillen und wegen ihres Halsschmuckes so exotischen Menschen auf die Touristen ausging,  war immens.

Es gibt heute in Nordthailand nahezu kein einziges touristisches Programm, in dem ein Besuch bei den Longnecks nicht fest eingebaut oder doch zumindest angeboten wird. Weit über 50 % der Touristen, die nach Mae Hong Son kommen, besuchen auch eines der drei Longneckdörfer. (s.Foto links) Dabei muss jeder Besucher ein „Eintrittsgeld“ von 250 Baht ca. 15 DM) am Dorfeingang entrichten … ein einzigartiger Vorgang in Thailand. In normalen Zeiten werden so bis zu 25.000 Baht (ca. 1500 DM) pro Tag umgesetzt, während der Hochsaison kann die-ser Betrag auf 50-75.000 Baht hochschnellen. Summen, die für thailändische Verhältnisse enorm sind und die Begehrlichkeiten von verschiedensten Seiten wecken. Offiziellen Angaben zufolge gehen ein Drittel der Eintrittsgelder dabei als Kommissionsgeld an die regionale Reiseveranstalter, die restlichen zwei Drittel werden von den Dorfverwaltern einbehalten zur Zahlung von Gebühren an die lokale Einwanderungsbehörde des Verwaltungsdistrikts Mae Hong Sons, an die Polizei sowie an das Militär für Schutzaufgaben gegenüber der immer noch gefährlich nahen Grenze zum Erzfeind Burma, von wo aus stets mit nächtlichen Angriffen gerechnet werden muss.


Entgegen der weitverbreiteten Annahme sind die Hälse der Longnecks nicht verlängert. Es handelt sich um eine optische Täuschung, bedingt durch die Tatsache, dass ihre Schultern durch den enorm,en Druck der Messingspiralen über die Jahre nach unten verformt wurden. Optisch ergibt sich dadurch das Bild „langer Hälse“.

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Es sind wohl vor allem diese Eintrittsgelder, die im Kreuzfeuer der Kritik stehen und dem ganzen Geschehen den Charakter eines Zoo-Besuchs geben.
Wer die Massen an Touristen, die sich tagtäglich durch die Longneck-Dörfer bewegen, mit eigenen Augen gesehen hat, wer beobachtet, wie Reisebusse ganze Ladungen japanischer, deutscher oder chinesischer Touristen im Stundenrhythmus ausspucken, wer sieht, wie sich auf die Longnecks ein nicht enden wollendes Blitzlichtgewitter ergießt, mag tatsächlich zum Schluss kommen, es handele sich hier um einen einträglichen Menschenzoo.
Doch zeigt sich das Ganze wie so oft von einer etwas andern Seite, befragt man die Betroffenen, die Longnecks, selbst.
Manang beispielsweise, eine 45jaehrige Padaung-Frau, die vor 12 Jahren mit dem ersten Flüchtlingstreck nach Thailand kam und mit ihrer Tochter Mada seit über 10 Jahren im Longneck-Dorf Nasoi lebt, will eigenen Angaben zufolge unter keinen Umständen mehr nach Burma zurückkehren – obwohl sie ihr dortiges Heimatdorf sehr vermisst. „Es geht mir gut hier in Nasoi. Wir haben hier eine Grundschule für unsere Kinder, es gibt genug zu essen, wir haben eine große Hütte und sogar medizinische Betreuung. Aber das Allerwichtigste ist, dass wir hier keine Angst mehr haben müssen vor Überfällen der burmesischen Armee.“
Und wie Manang denken die allermeisten Longnecks. Ihr Leben ist sicherer geworden, an die Touristen haben sie sich gewöhnt, und es stört sie nicht, unentwegt fotografiert zu werden. Immerhin können sie so ihre selbstgefertigten Stoffe verkaufen und haben zum ersten mal seit langer Zeit wieder ein eigenes, wenn  auch bescheidenes Einkommen.

Gefahr droht ihnen mittlerweile jedoch von einer ganz anderen, völlig unvorhergesehenen Seite: umliegende thailändische Dörfer nämlich, durch die die Touristenbusse fahren müssen, um Nasoi und die anderen Longneckdörfer zu erreichen, errichteten September letzten Jahres eine Strassenblockade. Die Folge war, dass ganze 5-10 Touristen die Longneckdörfer erreichten gegenüber 100-400 pro Tag zuvor. Offizieller Grund der Blockade: die Busse würden die Dorfstraßen zu sehr strapazieren und abnutzen. Erst als die Longnecks einwilligten, 10.000 Baht pro Monat an die Dörfer zuzahlen, wurden die Blockaden aufgelöst.

Kasten-Info:

Shan:

Die Shan, ein Bergvolk, sind mongolischer Abstammung, und leben meist in Burma und in den Bergregionen zwischen Thailand und Burma. Ca. 50 % der Bevölkerung Mae Hong Sons sind Shan-Leute. In Burma sind sie die größte ethnische Minderheit. Die Shan sind mit den Thais eng verwandt, sprechen praktische die gleiche Sprache (als Dialektabwandlung). Ihr Siedlungsgebiet ist berüchtigt für weit verbreiteten Opiumanbau und versteckte Heroinfabriken.

Karen:

Ihr Hauptsiedlungsgebiet ist das Grenzgebiet zwischen Burma und Thailand in einem schmalen Gürtel von 1000 km entlang Grenze. Sie sind mit 7% der Bevölkerung (nach den Shan) die zweitgrößte ethnische Minderheit in Burma. Die Karen werden vom burmesischen Militärregime verfolgt und unterdrückt. Der Grund reicht zurück bis zu  den Wirrungen des 2. Weltkriegs. Damals schlugen sich die Burmesen auf die Seite der Japaner, um die Briten aus ihrem Land zu vertreiben, während die Karen auf der Seite der Briten kämpften. Seit dem 2. Weltkrieg führen die Karen einen praktisch aussichtslosen Kampf um einen selbständigen Staat. Im Jahr 1997 beendete die burmesische Militärregierung durch eine großangelegte Militäroffensive den Widerstand und zwang die Karen, ihre Hütten und Dörfer zu verlassen. Viele flohen nach Nordthailand, wo sie von der thailändischen Regierung zumeist geduldet werden.

Padaung:

Das Wort Padaung stammt aus der Shan-Sprache und bedeutet Messingspirale. Die Frauen dieses Stammes werden auch Longnecks oder Giraffenfrauen genannt.Die Padaung zählen zu den kleinsten Karen-Gruppen. Ihre Gesamt-größe beträgt nur etwa ganze 7000 Menschen. Sie leben in Burma etwa 200 km nordnordöstlich von Rangun im Kaya-Staat an der thai-ländischen Grenze. Bis in die jüngste Zeit waren die Männer kriegerische Kopfjäger. Zu Ihrem Brauch, den Frauen lange Messingspiralen um Hals, Arme und Beine zu legen, gibt es nur Spekulationen, aber keine gesicherte Erkenntnis: Ob als Schutz vor Tigerangriffen, ob Anspielung auf  ihre Abstammung von einem weiblichen Drachen oder auch nur rein ästhetisches Schönheitsideal – wissenschaftlich bewiesen ist keine der gängigen Theorien. Der Brauch war laut der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ bereits am Aussterben. In zunehmender Zahl weigern sich die Padaung-Mädchen, sich diese Spiralen

4 Kommentare

  1. Zwei Korrekturen, wenn gestattet. Die Shan sind NICHT mongolischer Abstammung. Sie wanderten aus Yunnan (China) nach Süden in den heutigen Shan-Staat und das heutige Thailand ein. Zu den Karen: Die Wirrungen mit den Karen reichen zurück bis in die Zeit der burmesischen Königreiche. Die Karen wurden von den Burmesen versklavt, dann von den Britten während der Kolonialzeit „befreit“. Übrigens, die Karen wurden NIE von den Burmesen besiegt, wie oben erwähnt. Seit dem 12. Januar 2012 herrscht ein Waffenstillstand.

  2. Der Artikel ist sehr informativ und historisch interessant. Wir waren am 3.1.2013 in einem Dorf der Langhalsfrauen. Wir mussten keinen Eintritt zahlen und auch die anderen (vielleicht 10 Touristen), die wir dort trafen, mussten das nicht. Kann sein, dass zu anderen Zeiten dort mehr los ist, aber Eintritt gibt es mit Sicherheit nicht.

    MM: Ja, das scheint sich tatsächlich geändert zu haben. Vermutlich wegen der internationalen Berichte, die von einem Menschenzoo mit Eintritt berichteten.

  3. Ein großer Teil des Geldes geht an die Langhalsfamilien, damit sie leben können, Thailand gibt nichts. Ich verbringe seit 15 Jahren einen Teil meines Urlaubs in solch einem Dorf, unterstütze eine Familie. Manche sind schon vor 30 Jahren gekommen.Die meisten Touristen sind nicht informiert und wissen nicht, dass es Flüchtlinge sind. Zoo!!!Jeder kann selbst dazu beitragen, dass es kein Zoo ist, und sich für die Menschen interessieren und nicht für die Hälse!! Normalerweise wird immer Eintrittsgeld verlangt, weil ein großer Teil an Thailand geht. Ich selbst bezahle nie, weil einen Großteil der Menschen dort kenne und ich deren Gastfreundlichkeit nutzen darf. Habe viel über sie gelernt. Der Begriff Karen trifft auf viele Stämme zu und ist nur der Überbegriff für viele, diese hier sind Kayan aus dem Kayan State.-Viele Frauen legen immer noch ihren Töchtern die Spirale an, weil sie dann mehr Geld aus dem Topf bekommen, was wiederum den Familien zu Gute kommt. Ich kenne auch einige, die sie abgelegt haben und thailändische Schulen besuchen, zum Teil mit einer Art Green Card. Aber genau betrachtet ist es halt eine traurige Situation für die Menschen, einige wurden von ihrer Gemeinschaft getrennt und nach Chiang Mai verfrachtet, um dort ein neues Dorf zu bewohnen, damit Touristen nicht so weit reisen müssen um sie zu sehen. Und übrigens aus Deutschland kommen keine Hilfsgelder, es gibt noch andere Camps wo solche Flüchtlinge leben, habe ich besucht, für normale Touristen nicht möglich, dort habe ich erfahren wo Hilfe herkommt. England Australien. Niederlande und Skandinavien, keine Eintrittsgelder, versteckt in den Bergen nahe Grenze.
    Trotzdem gute Reise falls ihr mal dort hinkommt, redet mit den Leuten, sie werden sich freuen, wenn ihr euch für sie interessiert, viele sprechen ein wenig englisch.

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