Ein Tag im Leben eines buddhistischen Klosterschülers

Der Novize Supak Teerabut

Michael Mannheimer (Text und Fotos)

Der Novize Supak Theerabut bei der Meditation

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Wo Bildung einen hohen Stellenwert hat

Rayong, Dezember 1997

Jedesmal, wenn Supak Teerabut, 16,  die Stufen zur Bibliothek hinaufschreitet, weiß er, warum er sich hier vor Jahren als Novize an der Klosterschule Wat Khoasap, am Rande der Stadt Rayong, beworben hat. Hier, an der Wand zu seiner Linken, soll eines Tages auch sein Name stehen, aufgemalt in thailändischer Kunstschrift (Foto links). Diese Wand ist der ganze Stolz des Klosters, Zeuge und Inbegriff der Anstrengungen und des Erfolgs seiner pädagogischen und schulischen Bemühungen. Wessen Name hier steht, der hat es geschafft. Er ist im Besitz der staatlich anerkannten Hochschulreife und darf mit einem staatlichen Stipendium an einer der Universitäten des Landes studieren.

Was hierzulande mittlerweile fast zur Selbstverständlichkeit geworden ist, hat in Thailand nämlich immer noch den Stellenwert des Außergewöhnlichen. Eine Einschreibung an einer Universität kommt einem Lotteriegewinn gleich, einer Quasi-Garantie für einen der wenigen hochqualifizierten und relativ gutbezahlten Jobs im Land des Lächelns, in dem Hunderttausende an Kindern von ihren Eltern vorzeitig aus der Schule genommen werden, weil sie das Schulgeld nicht mehr entrichten können. Pro Halbjahr kostet das ganze 2000 Baht, ungefähr 100 DM. Aber für eine Familie mit vier oder fünf Kindern bei einem Monatseinkommen von 5000 Baht ist das schlichtweg unerschwinglich. Und die Universität kostet ebenfalls, wesentlich mehr als die Schule. So wird Studieren zu einem Luxus von wenigen Gutverdienenden, ein unerreichbarer Wunsch für die allermeisten begabten Kinder des Landes.

Supak Teerabut weiß dies nur zu genau. Die Tätigkeit seines Vaters als Reisbauer bringt nicht viel ein. So wurden auch sein Bruder und seine Schwester vorzeitig, nach gerade mal vier Jahren Grundschule, von der Schule genommen, um mit Aushilfsarbeiten das Familieneinkommen zu verbessern. Nur er hatte Glück. Seine schulischen Leistungen waren derart gut, dass er sich um die Aufnahme in eine der begehrten Klosterschulen bewarb – und prompt genommen wurde.

Novizen brauchen große Disziplin

Das Klosterleben ist hart. Der Alltag Supaks und der übrigen 350 Novizen wird bestimmt durch eiserne buddhistische Disziplin. Aufstehen um vier Uhr dreißig, kurze Toilette, dann eine Stunde gemeinschaftliche Meditation und Gebete in der Großen Halle. Im Anschluß daran geht es zum „Pinda Bat“, der obligatorischen Betteltour aller buddhistischen Mönche, in die Vororte Rayongs, von dort zurück mit vollen Reisschalen zum Frühstück ins Kloster.

Von acht Uhr dreißig bis sechzehn Uhr dann zum Unterricht, danach Hausaufgaben, Hilfsarbeiten auf dem Gelände des Klosters, bis mit der abendlichen Meditation gegen sechs der offizielle Tagesablauf  beendet ist. Wer will und kann, bereitet sich im Anschluß daran auf den Unterricht des nächsten Tages vor, paukt Vokabeln oder büffelt auf die nächste Prüfung. Ansonsten redet man mit den anderen der etwa 350 Novizen der Schule, schreibt einen Brief nach Hause oder liest ein Buch. Fernsehen, Kino, Computerspiele, sogar Sport ist für Novizen verboten. Gegen halbzehn schließlich wird – mit Ausnahme der Bibliothek – der Strom abgeschaltet, und die Novizen begeben sich zur Bettruhe. So läuft es Tag um Tag, mit Ausnahme der Wochenenden. Da gibt es keinen Unterricht, dafür aber um so mehr Meditation und Beschäftigung mit der Lehre Buddhas.

Die buddhistische Klosterschule Wat Khoasap liegt etwas außerhalb der Stadt Rayong am Golf von Thailand, ca. 150 Kilometer südöstlich von Bangkok. Es werden etwa 350 Novizen im Alter von 13-17 Jahren von erstklassig ausgebildeten Lehrern auf das Abitur vorbereitet. Unterrichtsfächer sind:


·    Pali-Sprache ·    Dharma – die Lehre Buddhas
·    Mathematik ·    Englisch ·    Physik ·    Biologie
·    Chemie ·    Thailändisch ·    Gesundheitserziehung
·    Sozialkunde ·    Geschichte ·    Sport

Im Vordergrund des Lebens der Novizen steht die Einhaltung der zehn buddhistischen Gebote für Mönche:

1.    Kein Lebenwesen zu töten
2.    Nicht zu stehlen
3.    Nicht zu lügen
4.    Enthaltsamkeit zu üben
5.    Keine berauschenden Getränke zu sich zu nehmen
6.    Keine Mahlzeiten nach 12:00 einzunehmen
7.    Nicht zu tanzen
8.    Am Boden – auf unbequemer Matratze –  zu schlafen
9.    Kein Geld anzunehmen
10.   Keinen Wert auf das äußerliche Erscheinungsbild zu legen

Langweilig wird es Supak daher nie. Die Anforderungen der Schule sind hoch, die Prüfungen streng. Und das Uni-Stipendium kriegt er nur, wenn er ein überdurchschnittlich gutes Abitur schafft. Lernen ist also immer angesagt. Ja, es ist hart hier, aber Supak empfindet das nicht so. Er weiß nur zu gut, wie hart Armut ist. Und wie hart es sein kann, wenn man keine Ausbildung und Erziehung genießen kann wie er, sieht er am Schicksal seiner beiden Geschwister, die er einmal im Jahr in den Sommerferien besuchen geht.

Daher erübrigt sich auch die Frage, warum er sich für eine Klosterschule entschieden hat. Natürlich ist er Buddhist, natürlich will er tiefer in die Lehre Buddhas eindringen, ein Leben nach den Weisungen des Meisters führen, vielleicht gar einmal das Nirwana, die Erlösung der ständigen Wiedergeburt, erlangen. Das wollen alle Thais – Thailand ist ein tiefreligiöses Land. Doch nur hier in der Klosterschule erhält er eine erstklassige schulische Ausbildung, nur hier kann er lernen frei von finanziellen Zwängen. Und wenn er eines Tages die Klosterschule verlassen wird, um an einer Universität in Bangkok zu studieren, dann kann er auch sein klösterliches Gewand ablegen und wieder als ganz normaler Bürger seiner Wege gehen…wenn er denn so will.

Die Klosterschule des Wat Khoasap

Einmal, vor Jahren, hat Supak ein Bild vom Empire State Building gesehen und von derFreiheitsstatue. Das läßt ihn seitdem nicht mehr los. Beides will er sich einmal im Original ansehen, entweder auf einer Reise in die USA, ober, wenn das nicht klappen sollte, als Botschafter Thailands. Denn dies zu werden, die Interessen seines Landes einmal in Ausland zu vertreten, ist sein tiefster Wunsch. Und die Voraussetzungen dafür scheint er tatsächlich zu haben. Denn trotz seiner erst 16 Jahre ist er bereits gewählter Präsident der Schülerversammlung und hat damit einen bedeutenden Posten innerhalb der Klosterschule inne. In dieser Eigenschaft kontrolliert und regelt er das Zusammenleben der 350köpfigen Schülergemeinschaft, hilft bei Konflikten innerhalb der Schüler, ist das Sprachrohr der Novizen gegenüber der Schulleitung. Und wie es sich für einen Präsidenten gehört, verfügt er über eine richtige Regierung mit allen wichtigen Ministern, zwei Vizepräsidenten und sogar einem Regierungssprecher.

Supaks Traum

Jeden Dienstag, direkt nach Unterrichtsschluß, trifft er sich mit seiner Regierungsmannschaft (s.Foto links) in der Studentenvollversammlung. Die Regierung berichtet den versammelten Novizen von der Ergebnissen der zurückliegenden Arbeit, anstehende Probleme werden  erörtert, neue Aufgaben verteilt. Das alles findet in einer  außerordentlich ruhigen, gelassenen, von buddhistischer Selbstdisziplin geprägten Atmosphäre statt – ungewöhnlich für europäische Augen.

Supak leitet die Versammlung in von ihm gewohnter Souveränität. Er hat ein Händchen dafür, das sieht man ihm an.

So übt er in seinen jungen Jahren bereits auf  seine von ihm angestrebte Stellung im Bereich der politischen Verantwortung für sein Land. Und vielleicht schafft er einmal sein eigentliches Ziel, auf das er sich insgeheim vorbereitet: nämlich eines Tages  nicht nur Präsident einer Schülergemeinschaft, sondern Präsident von ganz Thailand zu werden.

Gar so abwegig ist dieser Gedanke vermutlich nicht.  Es ist noch nicht allzu lange her, da hatte ein anderer Jugendlicher einen ganz ähnlichen Traum. Sein Name: Bill Clinton.


2 Kommentare

  1. islam gehört NICHT zu Indonesien od. Malaysia – die lokal ansässigen Könige, Sultane wurden als Geißel genommen … Arme sind nun mal sehr leicht zu manipulieren wie in Europa auch?

    MM: Sie haben recht wenn Sie meinen, dass Indoinesien ein volsständig hinduistisches und buddhistisches Land war, bevor die Araber eindrangen. Dann namen sie tatsächlich Fürtsen als Geiseln, die dann zwnagskonvertiert wurden unter Androhung, ansonsten würden sie und ihre Familien getötet.

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